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Tagung 3. IU Online-Fachtagung Sozialwissenschaften

In den Entwürfen zum Selbstverständnis von Sozialer Arbeit finden sich seit jeher utopische Momente. Schon die Sozialpädagogik von Paul Natorp, so interpretierte er sie selbst, „hat es gewagt, an den vorhandenen Gemeinschaften, so wie sie sind, einschneidende Kritik zu üben, den gegebenen sozialen Zustand lediglich als Durchgang zu betrachten zwischen vergangenen sozialen Ordnungen, die längst unhaltbar geworden sind, und kommenden, die erst von ferne sich ankündigen, und hat dann die ganze Arbeit der Erziehung auf diese kritische Stellung zu den gegebenen sozialen Ordnungen orientieren wollen.“ (Natorp 1907/1983, S.23). Wenngleich anders gelagert, weisen auch zeitgenössische Theoretisierungen des Fachs diesem mehr Potenzial als nur eine kompensatorische Verwaltung des Status quo zu. Die Definition von Sozialer Arbeit des IFSW bringt ein

Professionalitätsverständnis zum Ausdruck, dem die Ideen der Verwirklichung von Menschenrechten im Sinne des Ansatzes von Staub-Bernasconi (z.B. 2012) aufgegeben ist. Der für die deutsche Soziale Arbeit seit vier Jahrzehnten einflussreiche Ansatz der Lebensweltorientierung transportiert nicht nur reformerische, sondern auch utopische Momente mit. Die Orientierung des Ansatzes hin auf einen „gelingenderen Alltag“ seiner Adressat:innen, so Grunwald & Thiersch (2014, S. 2), sei „im Horizont des Projekts Soziale Gerechtigkeit“ zu sehen. In Konzepten wie „Empowerment“ und „Inklusion“ sollten derart gelagerte Selbstverortungen an methodischer Kontur und praktischer Relevanz gewinnen und folgen im Fall des Leitbilds der „inklusiven Gesellschaft“ tatsächlich einer Utopie im klassischen Sinn. 


Konzeptioneller Ausarbeitung und praktischer Realisierung utopischer Momente stehen in der Praxis allerdings die völlig unsentimentalen ökonomischen Zwänge sowie die erstickende Wucht pathologisierender und moralisierender Deutungsmuster sozialer Probleme gegenüber (siehe etwa Lutz 2019). Deren Wirkmächtigkeit lässt sich an den Bedeutungsverschiebungen erkennen, denen emanzipatorisch orientierte Konzepte unterliegen – wenn aus „Empowerment“ das „Fördern und Fordern“ wird und „Inklusion“ zu einer irreleitenden Formel für sozialtechnische Machbarkeit von Teilhabe verkommt (Winkler 2018, S. 38).  


Der Begriff „Utopie“ im Titel unserer diesjährigen Online-Tagung soll dazu anregen, mit sozialarbeiterischen aber auch politisch, pädagogisch und ökonomisch orientierten Beiträgen an der Verständigung über Gegenwart und Zukunftsperspektiven der Sozialen Arbeit teilzunehmen.  


Gefragt sind sowohl theoretische als auch praxisbezogene Reflexionen, Beobachtungen, Forschungsergebnisse und Konzeptentwicklungen aus verschiedenen Fächern und Arbeitsfeldern. 


Tagungsprogramm (PDF)

Inhalte der Fachtagung

Anknüpfend an die Erfahrungen aus den vergangenen beiden Jahren wollen wir erneut einen breiten inhaltlichen Rahmen aufspannen, indem beispielsweise folgende Themen diskutiert werden sollen: 

  • Ökonomische Polarisierung der Gesellschaft 

  • Soziale Arbeit unter Medizinisierungsdruck 

  • Digitalisierung als Herrschaftsinstrument? 

  • Konjunktur autoritärer Einstellungen 

  • Flucht und Migration - Soziale Arbeit im Spannungsfeld von nationalstaatlicher Grenzziehung und Menschenrechten 

  • Das Gemeinwesen der Zukunft – Wie kann Sozialer Zusammenhalt gelingen? 

Programm herunterladen (PDF)

Programmkomitee

  • Prof. Dr. Patrick Trotzke (Köln)

  • Prof. Dr. Katrin Sen (Frankfurt/M)

  • Prof. Dr. Bärbel Schomers (Köln)

  • Prof. Dr. Martin Staats (Erfurt)

  • Prof. Dr. Jens Rieger (Hannover)

  • Prof. Dr. David Kergel (Duisburg)

  • Prof. Dr. Holger Knothe (Nürnberg)

  • Prof. Dr. Mehmet Kart (Hannover)

  • Prof. Dr. Boris Friele (Berlin) 

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